Hallo zusammen, ein Bekannter von mir besitzt eine schicke Graetz Moderato 33c Musiktruhe mit Plattenspieler, die sich seit ein paar Wochen leider nicht mehr einschalten lässt. Da er die Truhe gerne wieder funktionstüchtig hätte und ich gelegentlich Elektrogeräte repariere(Reparaturerfahrung z.B. mit Flachbildschirmen/Digitalkameras/Küchengeräten und Radios aus den 80ern ist vorhanden), hat er mich gebeten, mir das Gerät mal anzusehen. Da ich sehr viel Freude an der Reparatur alter Geräte habe, das Röhrenradio aber nun doch aus einer älteren Technikgeneration stammt als die Geräte mit denen ich normalerweise umgehe, hoffe ich hier ein paar gute Tipps bezüglich der Möglichkeit einer Reparatur bzw. zur Ursachensuche zu bekommen. Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass ich keine E-Technik Ausbildung o.Ä. habe(nur ein Physik-Nebenfachstudium), aber brauchbares E-Technik Grundlagenwissen vorhanden ist(Funktion von Bauteilen, Schaltpläne lesen, Schaltungsbau, Umgang mit Multimeter bzw. Oszilloskop, gute Lötkenntnisse, Umgang mit Spannungen < 1000V, ...)
Das bestehende Fehlerbild sah wie folgt aus: - Das Gerät funktioniert nach dem Einschalten nicht. - Die Skalenbeleuchtung leuchtet nicht - Das Gerät gibt abgesehen von einem extrem leisen Brummen(knapp über der Hörschwelle), das nicht aus den Lautsprechern zu kommen scheint, keine Geräusche von sich. - Die Heizung mindestens einer Röhre funktioniert noch (durch die Rückwand zu sehen). - Der Plattenspieler funktioniert noch. - Am Gerät sind bisher keinerlei merkwürdige Gerüche oder Hitzeentwicklung aufgefallen.
Um mir nach der mündlichen Fehlerbeschreibung einen Überblick zu verschaffen, habe ich das Gerät sofort stromlos machen lassen um dann am nächsten Tag gemeinsam einen Blick darauf zu werfen. Da habe ich das Gerät erstmal stromlos ein und wieder ausgeschaltet, dann das Radioteil vorsichtig aus dem Möbelstück geholt, die üblichen Kondensatoren über Widerstände entladen und dann noch mal mit dem Multimeter querbeet gecheckt ob auch wirklich keine Spannung mehr da ist. Das Gerät war für sein Alter erstaunlich staubfrei und nennenswerte Metall-Korrosionsspuren waren zunächst nur an ein paar Chassiteilen und der Halterung für die Heizungssicherung zu erkennen. Wir sind dann trotzdem zunächst mit einem Pinsel dem Staub zuleibe gerückt und ich habe dann mal eine kleine Bestandsaufnahme gemacht:
- Keine sichtbaren Schäden an der Verkabelung - Das Gerät beinhaltet 8 Röhren von denen die nicht mit einer Metallmanschette abgeschirmten äußerlich alle einen unbeschädigten Eindruck machen(keine Risse und keine partiellen weißen Verfärbungen z.B. der Verspiegelung). - Ein Axial-Elko (15V und 100uF vielleicht ein Kathodenelko?) in der Nähe der beiden ECLL800-Röhren ist defekt(herausgedrückte Isoliermasse und nicht ganz frische Spuren von Hitzeentwicklung an einer Seite). - Die Trafos weisen von außen keine Spuren von Hitzeeinwirkung auf, allerdings sehen die Eisenkerne der beiden kleineren Trafos etwas korodiert aus(das könnte aber auch nur eine Lackschicht sein). - Die Heizungssicherung ist nicht durchgebrannt. - Es gibt hinten am Gerät einen Drehschalter zur Netzspannungseinstellung, in dem laut Mini-Lageplan die allem Anschein nach funktionstüchtige Netzsicherung steckt. - Der große Siemens Becherelko (B43230, 350-385V, 50+50uf) ist nicht ausgelaufen. - Ich kann spontan keine abgerissenen Bauelemente/Drähte oder mechanisch defekte Lötstellen ausmachen. - Die Mechanik des Radios wie Schalter, Seilzüge und Drehkondensatoren macht einen durchweg sehr guten Eindruck. Alles ist sauber, leichtgängig, nicht verharzt und nichts klemmt. - Die Kunststoffabdeckung über den Skalenlampen hat Hitzeverformungen. - Auf den ersten Blick kann ich keine Papier- oder Teerkondensatoren entdecken. - Die Lautsprecher sind weder verdreckt noch offensichtlich beschädigt. - Der Plattenspieler ist ein separates Gerät und deshalb nicht beeinträchtigt. - Die Röhre mit der funktionierenden Heizung ist eine ECC83. - Von den ECC83 und ECLL800 Röhren sind jeweils zwei vorhanden, so dass bei einem dort vermuteten Defekt Tauschmaterial vorhanden wäre. - Die EMM 803 Anzeigeröhre sieht etwas aber gleichmäßig milchig aus(vielleicht funktional bedingt, da scheint es komplett milchige und nur auf der Anzeigeseite milchige zu geben).
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Nun überlege ich gerade was in der gegebenen Situation sinnvolle weitere Reparaturschritte zur Eingrenzung des Fehlers sind und wie ich einen Zustand herstellen kann, in dem es wieder sinnvoll sein kann das Gerät mal mit Spannung zu versorgen. Zunächst würden da auf meiner Liste z.B. die folgenden Schritte stehen: - Einbauposition der Röhren markieren, ausbauen und sicher verstauen. - Komplettreinigung des Radios mit Pinsel und Staubsauger. - Den defekten Elko und alle baugleichen Elkos tauschen. - Funktionstüchtigkeit der Anschlusspaare der Schiebeschalter testen. - Nach schlechen Lötstellen suchen und diese beheben(nicht an unbestückten Röhrenfassungen herumlöten). - Den Siemens Becherelko durch entsprechende Hochvoltelkos ersetzen. - Die Lautsprecher durchmessen. - Den Innenwiderstand der Trafos messen und Korrosionsspuren an den Trafokernen genau unter die Lupe nehmen. - Eventuell die Entstörkondensatoren im Netzteil tauschen. - Die ECLL800 sollen ja einem vergleichsweise hohem Verschleiß unterliegen, aber Röhren zu testen übersteigt mein Fachwissen und fällt daher erst mal flach. Allerdings hat das Radio ja bis vor kurzem noch ohne für einen Röhrenverschleiß übliche Audioprobleme funktioniert, vielleicht sind die also noch alle heile.
- Mit Schalt/Messplan könnte ich, sofern dann irgendwann eine brauchbare Ausgangssituation dafür hergestellt ist, auch mal die Ausgangsspannungen der Trafos messen.
Aufgrund des Fehlerbildes habe ich aber die Befürchtung, dass selbst wenn der offensichtlich defekte Elko bei der Röhre die Ursache für die momentane Funktionsuntüchtigkeit ist, bereits weitere Bauteile wie z.B. der Brückengleichrichter in Mitleidenschaft gezogen worden sind(direkt hinter der Skalenscheibe habe ich sehr unzugänglich ein Bauteil entdeckt, dass wie ein Brückengleichrichter in einem Flachgehäuse aussieht). Da ich aber nur ungerne durch mangelndes Fachwissen weitere Bauelemente zerstören oder ein höheres Sicherheitsrisiko als beim bisherigen Betrieb der Musiktruhe erzeugen möchte, wäre ich für ein paar kompetente Tipps zur Fehlersuche und durchdachten Wiederinbetriebnahme dankbar bevor ich, wenn überhaupt, den Lötkolben auspacke.
Viele Grüße, Denis
Foto:
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Es gibt - wie immer - mehre Möglichkeiten. Als erstes würde ich die ECLL800 Röhren herausziehen, dann klären, warum die Skalenbirnen nicht leuchten. Sind die defekt? Mit Ohmmeter müßte irgendein Ohmwert messbar an den Kontakten der Birnen sein.
Hallo Rainer, vielen Dank für die schnelle Antwort. Ich finde es echt toll, dass man hier die Möglichkeit bekommt mittels Reparaturtipps zu versuchen, so ein altes schönes Stück Technik zu bewahren. Dann werde ich die zwei Punkte, sobald ich das Gerät das nächste Mal in die Finger bekomme, mal testen und dann berichten.
Viele Grüße, Denis
P.S.: Die Sicherheitshinweise des Forums habe ich natürlich gelesen, aber spontan nichts Unbekanntes oder Dinge auf die ich nicht sowieso schon achte gefunden.
Hallo Rainer, ich bin gerade mal wieder am Gerät und habe ein paar Messungen durchgeführt:
- Die Birnen der Skalenbeleuchtung haben beide einen Widerstand von ~2 Ohm und sind dementsprechend wohl noch heile. - Den Widerstand der Lautsprecher habe ich auch gleich mal gemessen und der liegt mit etwas über 5 Ohm da wo ich ihn erwartet hätte. - Der Becher-Elko hat ja neben Masse ja zwei Kontakte. Bei der Kapazität spuckt mein Multimeter für beide Kontakte des Becher-Elkos nach Masse (ohne den Rest abzulöten) 100 uF aus(der Elko ist mit 50+50 uF beschriftet). - Ohne aktivierten UKW-Schalter liegt zwischen jeweils einem der beiden Kontakten und Masse 70 mV DC an und wenn ich UKW einschalte keine Gleichspannungen mehr. Ohne aktivierten UKW-Schalter liegt außerdem zwischen einem der Kontakte und Masse 300 V AC an und zwischen dem zweiten und Masse auch 300 V AC, aber nur wenn UKW eingeschaltet ist. - Dann habe ich noch schnell die Spannungen am Brückengleichrichter gemessen. Auf der Wechselstromseite zeigt das Multimeter eine im Sekundentakt pulsierende Spannung zwischen 1.5 V und 3.0 V AC an. Und auf der Gleichspannungsseite konnte ich keine Gleichspannung messen.
1) Erhalten die Röhren (z.B. ECLL800) eine Wechselspannung von 6,3 Volt an den Heizanschlüssen (Punkte 5 und 6 von unten auf die Röhrenfassungen betrachtet)? Die Skalenbirnen leuchten ja wohl nicht. Du sagtest ja: Eine Röhre leuchtet innen rötlich beim Blick durch die Rückwand. Das widerspricht sich irgendwie.
2) Habe ich es richtig verstanden, dass an den Wechselspannungsanschlüssen des Netzgleichrichters nur eine Wechselspannung von ca. 1-3 Volt anliegen?
Bitte am besten keine anderen Messergebnisse an anderen Stellen jetzt mitteilen. Derzeit vermute ich, dass gar keine Spannungen sich im Gerät aufbauen (Netzschalter, Sicherung, Spannungsumschalter, Trafo, usw). Die paar Volt am Netzgleichrichter können Einschleppspannungen sein, z.B. gleichgerichtete HF am Messgleichrichter des Messinstruments.
Hallo Rainer, zu 1) Die ECC83 direkt hinter dem Stereo-Dekoder(der rechteckige Metallkasten im Foto) glüht innen exakt an den zwei Stellen, an denen eine ECC83 zu glühen hat(im Wikipedia-Artikel über "Elektronenröhre" gibt es für eine ECC83 genau davon ein Foto). Und zwar direkt nach dem Einschalten. Bei den anderen offen einsehbaren Röhren kann ich nichts dergleichen sehen, weder bei der anderen ECC83, noch bei den ECLL800. Ob bei den Röhren die richtige Heizspannung anliegt, muss ich messen, wenn ich das nächste Mal bei meinem Bekannten bin. Welche Pins müsste ich denn im Fall der ECLL800 messen, wenn ich den leeren Sockel von oben betrachte und die Pins bei der Lücke anfangend im Uhrzeigersinn mit 1 beginnend nummeriert sind? An die Sockel komme ich nämlich von unten schlecht heran, weil da ein Trafo davor ist und die Beschaltungspläne im Netz schweigen sich meist darüber aus, ob das eine Ansicht von oben oder unten ist.
Leider habe ich gestern Abend vergessen, mal die Spannung an den Anschlüssen der Skalenbirnen zu messen. Das scheint nämlich gleichzeitig auch die Heizleitung für die Anzeigeröhre zu sein, bei der ebenfalls kein Heizungsglühen sichtbar ist(die steckt aber auch fast vollständig in einer Metallabschirmung und ist daher schlecht einsehbar).
Du mußt jetzt an jeder Röhren die Heizspannung nachmessen, ob die an den Punkte 5 und 6 ankommt. Vielleicht gibt es auf der Platine eine Unterbrechung.
Wenn es wirklich so ist, dass zumindest an einer Röhre Heizspannung anliegt, gleichzeitig aber der Netzgleichrichter keine Wechselspannung bekommt, ist ein etwas ungewöhnliches Fehlerbild entstanden. Vielleicht liegen mehrere Fehler vor.
Jedenfalls muß geklärt werden, warum die Wechselspannung von ca 250 Volt am Netzgleichrichter fehlen. Ist vielleicht die Anodenspannungswicklung des Netztrafos unterbrochen?
Zur Sicherheit solltest Du auch die 6,3 Volt Wechsel-Heizspannung des Netztrafo prüfen.
wumpus:Du mußt jetzt an jeder Röhren die Heizspannung nachmessen, ob die an den Punkte 5 und 6 ankommt.
Falls nicht bekannt: Pin 5 und 6 = im Uhrzeigersinn ab der "Lücke" zwischen den Stiften gezählt, und zwar wenn man von unten auf die Fassung schaut.
Weiter oben habe ich etwas gelesen von "nicht an leeren Fassungen löten". Das ist grundsätzlich richtig, allerdings kann löten an bestückter Fassung auch schief gehen - habe schon erlebt, daß eine Röhre "knack" sagt, der dort punktuell zu heiss wurde. Wer GANZ sicher gehen will, steckt einen Dummy bzw defekte Röhre in die zu lötende Fassung.
ich habe nur einen ähnlichen Schaltplan, sollte aber weitestgehend passen. Das mit der Heizung kann schon passen, das Netzteil ist etwas dubios aufgebaut. Eine ECC 83 hat eine eigene Heizwicklung auf dem Trafo, alle anderen Röhren und die Skalenlampen laufen über eine andere Heizwicklung, welche mit 6,3 Ampere abgesichert ist (Si 102). Diese Sicherung und deren Halter mal prüfen.
Das mit den 1-3 Volt am Eingang des Gleichrichters ist nicht wirklich prickelnd, evtl. wirklich Trafo abgeraucht. Fast vergessen, der von Dir genannte Elko ist der Kathodenelko der Endröhren. Diesen zwingend ersetzen und den paralelen Widerstand R 376 100 Ohm prüfen!