GeorgK hat dankenswerterweise über ein französisches Forum die Identität geklärt: Es handelt sich um das Gerät "Radiomatic Portatif 695" der S.F.R.T., Société Française de Radio et Télévision. Es wurde im Sommer 1958 in den Handel gebracht und es existierten 7 sehr ähnliche Derivate unter anderen Markennamen. Ein identischer Schaltplan konnte auch auf der französischen Webseite heruntergeladen werden, entsprach aber in wesentlichen Punkten NICHT der Realität.
So ist die NF-Endstufe eisenlos und arbeitet über einen 100µF Koppel-Elko auf den Lautsprecher, den ich mit 25 Ohm Gleichstromwiderstand gemessen habe. Meine Freude war schon zu Beginn sehr getrübt, denn dieser Lautsprecher verzerrte an einem guten Taschenradio angeschlossen schon bei recht kleinen Lautstärken. Der Zufall wollte es aber, dass ich einen sehr gut passenden Lautsprecher auf Lager hatte, der genau in die Befestigungsgewindebolzen passte.
Das Radio enthielt genietete Glimmer-Pertinaxkondensatoren der Werte 230pF, 320pF, 68pF und 15pF (frequenzbestimmend, die kleinen zur Neutralisation der 2-stufigen 472kHz-ZF), die getauscht werden mussten, weil die Kontaktgabe nicht mehr stabil war. Natürlich standen alle Elkos zwischen 25 und 500µF auf dem Austauschprogramm, dann ein paar Abblock-Kondensatoren 40nF, und Festwiderstände, die mehr als 25% zu hochohmig geworden sind. Ich nenne das den Heathkit-Effekt, denn diese bis Ende 60'er Jahre verwendete Bauart wurde in allen Wertbereichen immer hochohmiger. Selbst die Kohleschicht des Lautstärkepotis habe ich mit 6,6 kOhm ermittelt, obwohl es 5k Ohm haben sollte. Hier war ein Austausch natürlich nicht erforderlich.
Nach der Tauschaktion lief das Radio mit starken Audio-Verzerrungen, die manchmal verschwanden. Dies führte zur Nachlötung fast aller Lötstellen, was aber nicht half. Gezielte Messungen führten zum Trafo zwischen NF-Treiber und Endstufe. Ein abgerissener Draht mit nur zeitweisem Kontakt der Teilwicklung zur Basis eines der Endtransistoren stellte sich als Ursache heraus. Nach dem Gesetz von Murphy war das natürlich an unzu- gänglicher Stelle. Nach erfolgloser Suche für einen Ersatz habe ich einen Teil des umhüllenden Papierbandes der Trafowicklung mit einer Pinzette entfernt und eine dünne Litze versucht anzulöten, was zunächst mehrfach misslang.
Das Gerät sollte mit folgenden Daten in das wumpus-Museum aufgenommen werden:
S.F.R.T. Société Française de Radio et Télévision Modell: Radiomatic Portatif 695 Herstellungsjahr: 1958
Beschreibung: Eines der ersten französischen Transistorradios mit Transistoren von Thompson-Houston (unter GEC Lizenz) und einer ZF von 472 kHz
Technische Daten Schaltung: Superhet Transistoren: 6 (36T1, 2x 37T1, 991T1, 2x 941T1) Kreise: 4 Wellenbereiche: LW/MW Lautsprecher: 1 Betriebsspannung:2 x 4,5 Volt aus Flachbatterien Gehäuse: Holz mit Kunstlederüberzug Skala: Rund auf Abstimmknopf Abstimmung: Drehkondensator Komfort: Ferritantenne Gewicht: 1300 Gr. Maße: 22 x 15 x 7 cm
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Re: Restaurierung eines 6-Transistorradios der ersten Jahre 1958
Hallo Walter,
ich werde das Gerät gern in das Wumpus-Online-Museum aufnehmen. Interessant finde ich die eisenlose Endstufe, die in diesen Jahren noch eine Besonderheit war. Immerhin scheint es aber eine trafogekoppelte Treiberstufe gegeben zu haben.
Auf dem letzten Foto sieht man oben (wo im Gehäuse oben on top das Loch ist) eine Art Knopf ?
Nachtrag: Walter sind die ersten beiden Fotos von Dir ?
Wenn die von der (obiger Link) gezeigten Seite sind, kann ich sie aus Urheberrechtsgründen leider nicht verwenden und ich müsste sie in diesem Thread auch löschen.
Grüße von Haus zu Haus Rainer, DC7BJ (Forumbetreiber) Ein Leben ohne Facebook ist möglich und sinnvoll.
Re: Restaurierung eines 6-Transistorradios der ersten Jahre 1958
Hallo Walter,
sehr gelungen die Restauration, gefällt mir und dazu ein interessantes Innenleben, welches ich so bei einem Transistorgerät noch nicht gesehen habe. Es zeigt wohl sehr gut die Übergangszeit zwischen dem auslaufenden Röhrenzeitalter und damals moderner Halbleitertechnik. Hier wohl Germanium. Der Aufbau der Teile wie in einem Röhrengerät, es gibt sogar ein kleines Chassis. (Register?) Fehlende Stützpunkte sind mit Lötösen realisiert. Echt interessant.... es gibt sogar noch einen kleinen Luftdrehko.
Re: Restaurierung eines 6-Transistorradios der ersten Jahre 1958
Hallo Rainer, Joerg
die beiden ersten Bilder sind von mir gemacht worden und wurden von GeorgK mit meinem Einverständnis in dem französischen Forum gepostet, um überhaupt die Identität des Gerätes zu ermitteln. Immerhin ist es sogar im RM nicht zu finden gewesen!
Ja, das obere Loch hat mich auch beschäftigt. Genau gegenüber dieses Loches befindet sich im Gerätechassis in einem Abstand von 4cm ein 8mm-Loch und Abdruckspuren einer grossen Zahnscheibe. So bin ich der Meinung, dass es sich nur um eine mechanische Stabilisierung handeln muss. Das Chassis ist nämlich am unteren Rand nur mit 2 Holzschrauben und in der Mitte mit einer M3-Mutter auf einer langen Gewindestange befestigt, in die die grosse Verschluss-Mutter auf der Gehäuserückseite auch eingedreht wird.
Man beachte auch die kleine Bassreflexöffnung auf der Rückseite. Der Rundlautsprecher von 10cm Durchmesser verleit dem Gerät eine sehr angenehme Audioqualität. Von 6 Germanium- Transistoren und einer Ferritantenne darf man natürlich nicht die Empfindlichkeit der 20 Jahre jüngeren Transistorgeräte erwarten.
Die Lötösenleisten sind ohne jegliche Abstandhalter auf das Weissblech geschraubt oder genietet worden. Wo eine Isolation notwendig ist, waren Glimmerscheiben montiert. Eine fehlte allerdings und ich musste mit Isolierband aushelfen. Es war eine insgesamt schwierige Reparatur.
Gruss Walter
Nachtrag: Die Stromaufnahme ist übrigens 10mA bei 9V - traumhaft!
Re: Restaurierung eines 6-Transistorradios der ersten Jahre 1958
Hallo Rainer,
nein, einen nachträglichen Umbau halte ich für ausgeschlossen! Ich habe natürlich keine Ahnung, inwieweit es nach 1958 Modelländerungen gegeben hat und wie lange es überhaupt dieses Modell gab. Wegen der damaligen sehr schnellen Transistorentwicklung können das aber kaum mehr als 3-4 Jahre gewesen sein. Ausserdem hat sich die gedruckte Schaltung bereits 1960 durchgesetzt. Bei den Amerikanern und dem Regency TR1 war das schon 1954 der Fall.
Der verwendete Transformator zwischen Treiber und Endstufe hätte von seiner Grösse her auch spielend Ausgangstrafo sein können. Von den drei einzelnen Wicklungen (keine Wicklung mit Mittelzapf!) haben zwei einen Gleichstromwiderstand von 27 Ohm und eine von 230 Ohm. Kapazitäten zwischen Kollektor und Basis gibt es nicht, verbaute Werte sind 2x2,2k, 2x100 und 1x0,47 Ohm. Es gibt nirgendwo noch Platz für einen zweiten Trafo bis auf der Stelle der Lautsprecheranschlüsse (was in Röhrengeräten ja oft gemacht wurde). Aber auch hier gibt es wenig Spielraum wegen der beiden Flachbatterien.
Das Gerät ist schon sehr seltsam und wird nach 60 Jahren einige Geheimnisse behalten. Es gibt halt nur noch wenige Leute, die man befragen kann.
Re: Restaurierung eines 6-Transistorradios der ersten Jahre 1958
Hallo zusammen,
ich habe mich gefragt, wie man überhaupt mit zwei pnp-Germaniumtransistoren eine eisenlose "push-pull" NF-Endstufe aufbauen kann. In einem Forum habe ich gelesen, wie sich ein Nachbauer mit 2 x AC126 daran die Zähne ausgebissen hat. Aber es geht. Ich denke, diese Technik kam erst in Schwung, als man komplementäre Pärchen pnp-npn herstellen konnte.
Im Falle des Radiomatic 695 gibt das Werbeprospekt eine maximale Ausgangsleistung von 400mW bei 10% Klirrfaktor an.
Eine zeitgenössische Abhandlung über die Transistoren von 1954 kann man hier herunterladen: